analyse & kritik, Deutschland, 19.08.2014

Der lange Atem des BKA

Nach 19 Jahren: Festnahme in Sachen K.O.M.I.T.E.E. in
Venezuela

Von Martin Beck

»Liste meistgesuchter Personen des BKA« ist ein Eintrag auf Wikipedia
überschrieben. Aktuell sind hier zwölf Personen aufgeführt. Bei den
meisten prangt ein grün unterlegtes »flüchtig«, seit Kurzem allerdings
nicht mehr bei Bernhard Heidbreder. Der 53-Jährige wurde am 11. Juli
2014 in Mérida von der venezolanischen Polizei festgenommen. Zielfahnder
des Bundeskriminalamts hätten den entscheidenden Tipp gegeben,
berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel am 21. Juli.

Bernhard Heidbreder war bei Interpol zur internationalen Fahndung
ausgeschrieben – zusammen mit zwei weiteren Berlinern. Gesucht wurden
sie wegen eines Brandanschlages am 27. Oktober 1994 auf ein
Bundeswehrgebäude im brandenburgischen Bad Freienwalde und der
Vorbereitung eines Sprengstoffanschlages in der Nacht vom 10./11. April
1995 auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau. Die
Aktion scheiterte noch während der Anschlagsvorbereitungen. Das Trio
tauchte ab. Noch am selben Tag demonstrierten Tausende in Berlin unter
dem Motto »Terroristen sind die, die Abschiebeknäste bauen, und nicht
die, die sie sprengen«.

Richtete sich der Anschlag auf die Bundeswehrkaserne gegen die
Zusammenarbeit deutscher Sicherheitsbehörden mit der Türkei bei der
Bekämpfung der kurdischen PKK, zielte die geplante Knastsprengung auf
die Flüchtlingspolitik Deutschlands zwei Jahre nach der faktischen
Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Verantwortlich erklärte sich in
beiden Fällen die Gruppe Das K.O.M.I.T.E.E. Anfang der 1990er Jahre –
die Revolutionären Zellen (RZ) hatten sich aufgelöst, die RAF stand kurz
davor – plädierte sie für eine »konsequente militante Praxis«, um »den
Kreislauf der Linken von Glaubwürdigkeitsverlust nach außen und
Mutlosigkeit und Anpassung nach innen zu durchbrechen«. Nachdem schon
der zweite Versuch in einem Fiasko endete, löste sich die Gruppe auf.

Nach 19 Jahren kam es jetzt zur ersten Festnahme in diesem Fall, wenige
Monate, bevor die Taten nach deutschem Recht verjährt gewesen wären.
Bernhard Heidbreder lebte seit mehreren Jahren in Venezuela und hatte
sogar dank kolumbianischer Papiere die Staatsbürgerschaft seiner neuen
Heimat erworben. In Mérida arbeitete er als Drucker und war in
Basisgruppen vor Ort politisch aktiv.

»Seit 2012 waren ihm die Behörden schon dicht auf den Fersen«, behauptet
der Berliner Kurier in seiner Ausgabe vom 21. Juli. Genaueres über die
Umstände und Hintergründe der Verhaftung ist bisher nicht bekannt. Nur
soviel ist klar: Die deutschen Sicherheitsbehörden legten bei ihrer
jahrelangen Fahndung nach den mutmaßlichen Mitgliedern des
K.O.M.I.T.E.E. eine Beharrlichkeit an den Tag, wie sie den flüchtigen
NSU-Mitgliedern Mundlos, Böhnhard und Zschäpe nie zuteilwurde. Selbst
Redaktionsräume wurden durchsucht und Rechtsanwälte abgehört.

Gegenwärtig sitzt Bernhard Heidbreder in Caracas in Haft, während die
Bundesanwaltschaft seine Auslieferung betreibt. Gute Chancen, sie zu
verhindern, sieht die Berliner Rechtsanwältin Silke Studzinsky nach
Gesprächen mit seinen Anwälten in Caracas. Nach dem vergleichbaren
Paragraf des venezolanischen Strafgesetzbuchs sind beide Straftaten
bereits verjährt. Das gilt gemeinhin als Auslieferungshindernis. Hinzu
kommt, dass es kein entsprechendes Abkommen zwischen der Bundesrepublik
und Venezuela gibt.

Alles hängt also von den Behörden Venezuelas ab. Die haben in jüngster
Zeit in vergleichbaren Fällen durchaus widersprüchlich agiert: Im April
2011 wurde ein kolumbianischer Journalist von Venezuela nach Kolumbien
ausgeliefert und dort wegen angeblicher Kontakte zur Rebellengruppe FARC
verurteilt. Für Kritik sorgte zudem die Festnahme eines baskischen
Aktivisten in Venezuela im September vergangenen Jahres. Proteste
verhinderten allerdings seine Auslieferung nach Spanien.

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(Artikel nicht online verfügbar)