Merkwürdige Verhaftung
Der linke Aktivist Bernhard Heidbreder wurde in Venezuela aufgrund eines uralten deutschen Haftbefehls festgenommen
von Azozomox
Europäische Politiker werfen der Regierung Venezuelas immer wieder vor, politische GegnerInnen zu verfolgen. Sie meinen damit die (konservative) Opposition, die angeblich in ihrer politischen Arbeit behindert würde. Nun kam es in Venezuela zu einer Festnahme, die ein fragwürdiges Licht auf die venezolanischen Behörden, aber mehr noch auf die deutsche Rechtspraxis wirft. Ganz sicher wird sich kein bürgerlicher Politiker über diese Verhaftung empören und die Freilassung des politischen Gefangenen Bernhard Heidbreder verlangen. Er braucht daher die Unterstützung solidarischer Menschen in Deutschland und Venezuela.
Am 12. Juli 2014 wurde Bernhard Heidbreder im Hotel Venetur in Mérida, Venezuela, aufgrund eines uralten Haftbefehls deutscher Behörden aus dem Jahr 1995 im Zusammenhang mit Anschlägen der 1995 aufgelösten autonomen Gruppe das K.O.M.I.T.E.E. festgenommen. Diese hatte am 27.10.1994 einen Brandanschlag auf ein Gebäude der Bundeswehr in Bad Freienwalde (Brandenburg) verübt und dies u. a. damit begründet, dass die Bundeswehr den Krieg der Türkei gegen die kurdische Bevölkerung unterstütze – angesichts der heutigen Diskussion um Waffenlieferungen der Bundeswehr an die kurdischen Organisationen im Nordirak nicht ohne Pikanterie. Die zweite Aktion des K.O.M.I.T.E.E. war ein versuchter, aber gescheiterter Brandanschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau. Beide Anschläge richteten sich nicht gegen Personen und es wurde niemand verletzt. Gäbe es in Deutschland keine Sondergesetze für politische Delikte, wären beide Taten längst verjährt.
In Mérida wurde Heidbreder erst nach vier Tagen, am 16. Juli, einem Gericht vorgeführt, was gegen die venezolanischen Gesetze verstößt, da eine Vorführung innerhalb von 48 Stunden erfolgen muss. Nach seiner Verhaftung wurde er bis Ende August in einem Büro (ohne Tageslicht) von Interpol in Caracas festgehalten, wo er den ganzen Tag mit Handschellen gefesselt auf einem Stuhl sitzen und auch gefesselt auf einer Matratze schlafen musste. Es gab keine Möglichkeit, vertrauliche Gespräche mit der Verteidigung zu führen. Dies verstößt gegen die UN-Mindeststandards für Haftbedingungen. Essen musste von außen gebracht und Kleidung von Angehörigen gewaschen werden. Allerdings sind die regulären Haftbedingungen in Venezuela in der Regel noch schlechter. Inzwischen (27.8.2014) ist Bernhard Heidbreder von Interpol zur BAE (Brigada de Acciones Especiales) verlegt worden. Die Haftbedingungen sollen hier besser sein und seine venezolanischen Anwälte können ihn besuchen. Die Anwälte sind trotz mehrerer, auch persönlicher Interventionen noch nicht vor der zuständigen Kammer vereidigt. Erst nach ihrer Vereidigung und Zulassung erhalten sie Akteneinsicht. Bisher hat die zuständige venezolanische Kammer das Außenministerium informiert, welches wiederum die deutsche Botschaft über den Fall in Kenntnis setzt. Erst dann beginnt die 60-Tages-Frist für Deutschland, um das Auslieferungsersuchen nach Venezuela zu senden.
Gute Chancen, die Auslieferung zu verhindern, sieht die Berliner Rechtsanwältin Silke Studzinsky nach Gesprächen mit Heidbreders Anwälten in Caracas. Nach den Bestimmungen des venezolanischen Strafgesetzbuches sind beide Straftaten bereits verjährt. Das gilt gemeinhin als Auslieferungshindernis. Hinzu kommt, dass es kein Auslieferungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und Venezuela gibt. Entscheiden wird das höchste Gericht Venezuelas, das 1999 geschaffene Tribunal Supremo de Justicia (TSJ).
In anderen Fällen konnte eine sofortige Auslieferung verhindert werden. Im September 2013 wurde Asier Guridi Zaloña wegen angeblicher Mitgliedschaft in der ETA ebenfalls in Venezuela festgenommen, aber nach rund drei Monaten, am 7. Dezember 2013, unter Auflagen wieder vorläufig freigelassen; das Auslieferungsverfahren wurde jedoch durch die Freilassung nicht gestoppt und ist noch nicht endgültig entschieden.
Bernhard Heidbreder hat in den letzten acht Jahren in Mérida gelebt. Er ist dort sozial eingebunden, hat als Drucker gearbeitet und sich in Basisinitiativen politisch engagiert. Inzwischen läuft die Solidarität in Venezuela und in anderen Ländern an. In der anarchistischen Zeitung El Libertario findet sich ein Aufruf an KünstlerInnen und GrafikerInnen, Zeichnungen anzufertigen, um sie an Bernhard Heidbreder weiterzuleiten. Das chavistische Basiskomitee Coordinadora Simón Bolívar fordert öffentlich seine Freilassung.