Antifaschistisches Infoblatt vom 10.05.2016

Über 19 Monate Haft und kein Ende absehbar

Am 11. Juli 2014 wurde Bernhard Heidbreder in Mérida, Venezuela, festgenommen und zwei Wochen später nach Caracas gebracht. Dort sitzt er bis heute in Haft. Ein Ende ist (nicht) absehbar.

von Rechtsanwältin Silke Studzinsky

Grundlage für Bernds Festnahme war ein internationaler Haftbefehl. Deutschland hatte seine Auslieferung beantragt. Die Bundesanwaltschaft wirft Bernd und zwei weiteren Personen vor, Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung, dem K.O.M.I.­T.E.E., gewesen zu sein und 1994 einen Brandanschlag auf das Kreiswehrersatzamt in Bad Freienwalde begangen und 1995 einen Sprengstoffanschlag auf das damals im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau vorbereitet zu haben.

Die Aktion des K.O.M.I.T.E.E. in Bad Freienwalde richtete sich gegen die militärische, politische und ökonomische Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei, die ihrerseits militärisch gegen die Kurden vorging. Der geplante Anschlag auf das Abschiebegefängnis in Grünau zielte auf die deutsche Abschiebepolitik und zwar unter anderem von Kurdinnen und Kurden in die Türkei, wo ein Bürgerkrieg herrschte.

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24.02.2016: Demo und Kundgebung „Solidarität gegen staatliche Schnüffelpraxis!“

Soli-Kundgebung wg. "KOMITEE"Am 24.02.2016 versammelten sich etwa 75 Menschen vor dem Berliner Landeskriminalamt zur Unterstützung einer Person, die dort von einem Bundesanwalt vernommen werden sollte im Ermittlungsverfahren gegen die drei Untergetauchten. Wir lassen niemand allein, auch nicht nach 20 Jahren! Diesmal war es erfreulicherweise ein kurzer Termin: Es gab keine Aussage, der Bundesanwalt flog verärgert zurück nach Karlsruhe und kündigte an, ein Zwangsgeld zu verhängen.

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Gegen §129a und Beugehaft!
Solidarität mit antirassistischen und antifaschistischen Kämpfen!

Vor über 20 Jahren – 1995, eine Zeit, die ähnlich wie heute und doch ganz anders geprägt war von rassistischer Hetze und Asylrechtsverschärfungen– versuchten ein paar Menschen aus Solidarität mit Geflüchteten den im Bau befindlichen Abschiebeknast in Grünau zu zerstören. Der Versuch scheiterte bereits im Ansatz, drei Personen mussten untertauchen. Die Ermittlungsbehörden nahmen zwar deren ganzes soziales und politisches Umfeld auseinander, durchsuchten WG’s und Arbeitsstätten, luden Leute vor und verhängten Beugehaft, konnte aber keine Ermittlungserfolge vorweisen. Die drei blieben verschwunden, das Umfeld schwieg.

Juli 2014: einer der drei Gesuchten, Bernhard Heidbreder, wird in Venezuela festgenommen, und sitzt seither in Caracas im Knast. Deutschland stellte ein Auslieferungsersuchen, das von Venezuela jedoch im Oktober 2015 abgelehnt wird, da die Vorwürfe nach venezolanischem Recht längst verjährt sind. Dennoch ist Bernhard aus unklaren und nicht gerechtfertigten Gründen weiter in Caracas inhaftiert. Wir fordern die Freilassung von Bernhard Heidbreder und die Sicherung seines Aufenthalts in Venezuela!

Januar 2016: ein Mensch aus dem damaligen sozialen Umfeld erhält eine Vorladung zum Generalbundesanwalt in Berlin im Ermittlungsverfahren wegen § 129a gegen die drei Gesuchten. Nach über 20 Jahren wird erneut versucht, Menschen aus dem sozialen Umfeld zu Aussagen und Kooperation mit den staatlichen Behörden zu zwingen. Vorladungen vor die Staatsanwaltschaft bedeuten Drohung mit Zwangsgeld und Beugehaft. Von derlei Repression Bedrohte brauchen unsere Solidarität.

Wir sagen:
Schluss mit der staatlichen Schnüffelei!
Einstellung der Verfahren!
Solidarität mit der Person, die vor die Staatsanwaltschaft gezwungen wird!
Solidarität mit antirassistischen und antifaschistischen Kämpfen!
Freilassung von Bernhard Heidbreder in Venezuela!

Mittwoch 24.02. um 13 Uhr Demo und Kundgebung

Ort: Platz der Luftbrücke (U-Bahn Platz der Luftbrücke)

Plakat als pdf zum Download, Verteilen…

und in englisch

 

 

Radio Lora vom 05.11.2015

Bernhard Heidbreder – als Linksterrorist gesucht, aus Venezuela nicht ausgeliefert

In den 90ern gab es nicht nur inhaltslose Musik und Jeansjacken. Es gab auch noch letzte Reste von militanten linksradikalen Gruppen. Eine davon, das K.O.M.I.T.E.E., war 1994-95 aktiv, zündete ein Gebäude der Bundeswehr an und ist zufällig aufgeflogen, bevor sie ein Gefängnis, das zu einem Abschiebelager umgebaut werden sollte, baufällig sprengen konnte. Von drei Personen wurden die Ausweispapier beim Sprengstoff gefunden und sie sind seit damals auf der Flucht. Gesucht mit internationalem Haftbefehl vom BKA, auf der Liste der Bundesanwaltschaft. Einer davon Bernhard Heidbreder wurde jetzt in Venezuela nicht ausgeliefert, nachdem er gefasst wurde. Wir sprachen mit seiner Anwältin, Silke Studzenski.

Link: zum Anhören

Spendenaufruf für Bernhard’s Asylverfahren

Für das jetzt anstehende Asylverfahren von Bernhard in Venezuela muss noch mal Geld in die Hand genommen werden.

Wenn ihr könnt – spendet!

Spendenkonto: Rote Hilfe e. V.
Sparkasse Göttingen
IBAN:
DE25 2605 0001 0056 0362 39
BIC: NOLADE21GOE
Stichwort: Dageblieben
http://www.rote-hilfe.de/

Und vielen Dank an Alle, die finanziell zur rechtlichen Vertretung im
Auslieferungsverfahren beigetragen haben!

27.10.2015: Presseerklärung: Bernhard wird nicht ausgeliefert!

AUSLIEFERUNG AUS VENEZUELA ABGELEHNT
Die zuständige Strafkammer des Obersten Gerichtshofs in Caracas, Venezuela, (Tribunal Supremo de Justicia, Sala Penal) hat die Auslieferung von Bernhard Heidbreder an die Bundesrepublik Deutschland zum Zwecke der Durchführung eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Inbrandsetzung und Verabredung zu einem Verbrechen, nämlich der Vorbereitung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, abgelehnt.
Bernhard Heidbreder wird von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe vorgeworfen, sich als Mitglied der linken militanten Gruppe „ D.A.S. K.O.M.I.T.E.E.“ im Oktober 1994 an einem Brandanschlag auf ein Gebäude des Kreiswehrersatzamtes Bad Freienwalde und im April 1995 zusammen mit zwei weiteren Personen einen Sprengstoffanschlag auf den damaligen Rohbau des Abschiebegefängnisses in Berlin-Grünau vorbereitet zu haben. Die Tat gelangte nicht zur Umsetzung. Herr Heidbreder und zwei weitere Personen tauchten unter und wurden bzw. werden seitdem mit internationalem Haftbefehl von den deutschen Sicherheitsbehörden gesucht.
Am 11. Juli 2014 wurde Bernhard in Mérida/Venezuela von der dortigen Polizei festgenommen und befand sich seitdem auf Antrag der bundesdeutschen Behörden in Venezuela in Auslieferungshaft.
Am 23. Oktober 2015 hat nun der Oberste Gerichtshof Venezuelas in Caracas entschieden, dass Bernhard nicht nach Deutschland ausgeliefert wird.
Zur Begründung führt das Gericht an, dass das Kriterium der beiderseitigen Strafbarkeit nicht erfüllt ist: Der Straftatbestand des Terrorismus existierte in Venezuela zum Tatzeitpunkt nicht. Die übrigen vorgeworfenen Straftaten, also Brandstiftung und die Vorbereitung eines Sprengstoffdelikts, sind nach venezolanischem Recht bereits verjährt.
Deshalb kommt eine Auslieferung nicht in Betracht. Die Kammer folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Bernhard Heidbreder befindet sich nunmehr noch zur Prüfung seines Aufenthaltsstatus in Haft. Er hat einen Asylantrag gestellt.

Entscheidung No. 655 auf der Webseite des TSJ in Kurzfassung und als vollständiger Text (in spanisch)
(hier wurde ein falsch gesetzter Link korrigiert)

El Universal, Venezuela, 31.10.2015

TSJ rechaza entregarle a Alemania a presunto terrorista, pero no lo libera

La Sala de Casación Penal rechazó la petición de extradición formulada por las autoridades de Berlín, por considerar que varios de los delitos que le achacaban al requerido habían prescrito, entre otras razones.

Caracas.- Bernhard Heidbreder, el presunto terrorista alemán detenido a mediados de 2014 en Mérida, no será entregado a las autoridades germanas para responder por su supuesta participación en un atentado contra una instalación militar de su país en 1994, pues el Tribunal Supremo de Justicia (TSJ) rechazó la petición de extradición formulada por Alemania. Weiterlesen

neues deutschland vom 28.10.2015

Venezuela liefert Berliner Linksradikalen nicht aus

von Martin Kröger

Die zuständige Strafkammer des Obersten Gerichtshofs in der venezolanischen Hauptstadt Caracas hat sich Zeit gelassen. Über ein Jahr prüfte das Gericht das Auslieferungsgesuch der Bundesrepublik Deutschland gegen Bernhard Heidbreder, der im Juli 2014 in dem südamerikanischen Land von der dortigen Polizei festgenommen worden war. Dem ehemaligen Berliner Heidbreder und zwei weiteren Personen wird von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe vorgeworfen, als Mitglieder der linken Gruppe »D.A.S.K.O.M.I.T.E.E.« an einem Brandanschlag auf eine Bundeswehreinrichtung im brandenburgischen Bad Freienwalde sowie dem im April 1995 missglückten Sprengstoffanschlag auf den im Rohbau befindlichen Abschiebeknast in Köpenick beteiligt gewesen zu sein. Eine Polizeistreife hatte damals auf einem Waldparkplatz ein Auto entdeckt, in dem Sprengstoff gelagert war. Die mutmaßlich Beteiligten tauchten danach ab. Bereits am Montag hatte das Gericht, wie am Mittwoch bekannt wurde, das Auslieferungsgesuchen abgelehnt.

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TAZ vom 28.10.2015

Hoffnung auf Asyl in Venezuela

von Wolf-Dieter Vogel

BERLIN. Die venezolanischen Behörden liefern den wegen seiner Beteiligung an linken militanten Aktionen verfolgten Bernhard Heidbreder nicht nach Deutschland aus. Das beschloss jetzt der Oberste Gerichtshof des Landes in Caracas. Über 20 Jahre nachdem der heute 54-Jährige flüchten musste, kann er nun darauf hoffen, in dem lateinamerikanischen Land bleiben zu können. Derzeit werde sein Asylantrag geprüft, informierte Heidbreders Anwältin Silke Studzinsky.

Zielfahnder des Bundeskriminalamts (BKA) hatten den von Interpol gesuchten Deutschen vergangenes Jahr in Venezuela aufgespürt. Sicherheitskräfte des links regierten Landes nahmen ihn daraufhin am 11. Juli 2014 in der Stadt Mérida fest. Dort hatte er die letzten Jahre gelebt und in einer Druckerei gearbeitet.

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amerika 21 vom 28.10.2015

Venezuela liefert Linksradikalen nicht nach Deutschland aus

von Christian Kliver

Caracas. Die venezolanische Justiz hat die Auslieferung des Linksaktivisten Bernhard Heidbreder nach Deutschland nach mehrmonatiger Prüfung abgelehnt. Er kann damit 20 Jahre nach einem angeblich mitverantworteten  Sprengstoffanschlag in Berlin auf Asyl in dem südamerikanischen Land hoffen. Heidbreder war von einem Team des Bundeskriminalamtes in Venezuela aufgespürt und dort 2014 von der nationalen Polizei festgenommen worden. Deutschland ersuchte um seine Auslieferung.

Die Bundesanwaltschaft verdächtigt Heidbreder und zwei weitere Personen, der militanten autonomen Gruppe „Das Komitee“ angehört und sich im Oktober 1994 an einem Brandanschlag auf ein Gebäude des Kreiswehrersatzamtes Bad Freienwalde beteiligt zu haben. Im April 1995 sollen sie außerdem einen Sprengstoffanschlag auf den damaligen Rohbau des Abschiebegefängnisses in Berlin-Grünau vorbereitet haben, der jedoch nicht durchgeführt wurde. Heidbreder und zwei weitere Personen tauchten unter und wurden beziehungsweise werden seitdem mit internationalem Haftbefehl von den deutschen Sicherheitsbehörden gesucht.

In der Begründung des Obersten Gerichtshofes, die amerika21 vorliegt, heißt es, die Heidbreder von den deutschen Behörden vorgeworfenen Delikte seien zum damaligen Zeitpunkt von Venezuela nicht als Terrorismus zu bewerten gewesen. Zudem seien die Vorwürfe „offensichtlich verjährt“, schreibt die Vorsitzende Richterin Deyanrira Nieves Bastidas.

„Herr Heidbreder befindet sich nunmehr noch zur Prüfung seines Aufenthaltsstatus in Haft, er hat einen Asylantrag gestellt“, schrieb seine deutsche Anwältin Silke Studzinsky.

https://amerika21.de