Nach über 2 Jahren Knast ist Bernhard seit Samstag frei. Er wurde unter der Auflage entlassen, sich in Caracas aufzuhalten, da die Ausländerbehörde seinen Aufenthaltsstatus noch prüfen muss.
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09.07.2016: Bernhard Heidbreder seit zwei Jahren inhaftiert
Am 11. Juli 2016 sind es zwei Jahre, die Bernhard Heidbreder nun in Venezuela inhaftiert ist. Bedauerlicherweise hat sich seit dem letzten hier veröffentlichten Text von Anfang Februar 2016 an der Situation fast nichts geändert. Im folgenden ein paar Sätze zur Situation in Venezuela und zu den jüngsten Entwicklungen in Deutschland.
1. Venezuela: Im Westen nichts Neues
Ende Oktober 2015, also vor acht Monaten, hat der Oberste Gerichtshof Venezuelas entschieden, dass Bernhard Heidbreder nicht an die deutschen Behörden ausgeliefert wird. Das Gericht hätte eigentlich schon spätestens Ende Februar 2015 entscheiden müssen, überzog die Frist aber um rund acht Monate. Trotzdem wurde er nicht aus der Haft entlassen, da das Gericht keine Entlassungsanordnung erließ, sondern den Fall zur Entscheidung über Bernhards Haft und seinen Aufenthaltsstatus in Venezuela an die Immigrationsbehörde SAIME übertrug.
Was SAIME seitdem an Tätigkeiten entfaltet hat, ist weitgehend unklar. Für die andauernde Haft von Bernhard gibt es weder eine Rechtfertigung noch eine offizielle Begründung. Das Strafverfahren gegen ihn wegen der Einreise und Einbürgerung mit gefälschten Ausweispapieren wurde bereits Ende Oktober 2014 von einem Gericht in Mérida endgültig eingestellt.
Bernhard ist nunmehr seit zwei Jahren in Venezuela inhaftiert. Seit Anfang 2015 befindet er sich in einer bürokratischen Grauzone, die aus einem Buch von Kafka stammen könnte: Ein Gericht, das seine eigenen Fristen ignoriert. Eine Behörde, die gerichtliche Anordnungen nicht beachtet und mit anderen Behörden aus Prinzip nicht zusammenarbeitet. Eine andere Behörde, die offenbar noch mit den verordneten zwei Tagen Wochenarbeitszeit überfordert war und ist. Die Einschaltung hochrangiger Behördenvertreter, Politiker und selbst des Menschenrechtsausschusses des venezolanischen Parlaments hat bisher nichts bewirkt. Wir warten gespannt und besorgt darauf, wie das laufende Asylverfahren von Bernhard ablaufen wird. Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass Bernhard irgendwann aus Venezuela ausgewiesen wird.
Obwohl es in den letzten Wochen immer wieder Signale aus der Bürokratie gegeben hat, wonach in der einen oder anderen Weise an einer positiven Lösung gearbeitet werde und der Fall „bald” gelöst sei, haben wir das Vertrauen in derartige, zu oft gehörte offizielle Bekundungen längst verloren. Alle, die sich mit Bernhard solidarisch zeigen wollen – insbesondere in Venezuela selbst –, rufen wir erneut auf, sich für seine sofortige Freilassung einzusetzen, und auch andere Menschen über Bernhards Situation zu informieren.
2. Was in Deutschland geschieht
Zeugenvorladung
Am 24.02.2016 war, wie hier berichtet, eine Person aus dem ehemaligen sozialen Umfeld eines der Beschuldigten im K.O.M.I.T.E.E.-Verfahren zur zeugenschaftlichen Aussage beim Berliner Landeskriminalamt vorgeladen worden. Da sie die Aussage verweigerte, wurde vom Vertreter der Bundesanwaltschaft ein Ordnungsgeld in Höhe von 250 € verhängt, bei dessen Nichtzahlung eine Woche Ordnungshaft anfalle. Durch die Anwältin wurde dagegen Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt und ein Recht auf Aussageverweigerung gemäß § 55 StPO (Gefahr der Selbstbelastung) geltend gemacht. Weiter wurde beantragt, die offensichtliche Verjährung der meisten Tatvorwürfe festzustellen und Akteneinsicht in das gesamte Verfahren zu gewähren. Zudem solle das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des einzigen verbleibenden Tatvorwurfs, § 30 StGB, „Verabredung zu einem Verbrechen“ (siehe unten).
In seiner umfassenden Weisheit hat der Bundesgerichtshof am 13.05.2016 sämtliche Ansinnen der Bundesanwaltschaft abgenickt, die Verhängung des Ordnungsgeldes in Höhe von 250 € bestätigt, das Akteneinsichtsgesuch zurückgewiesen und auch verneint, dass die Strafvorschrift über die Verabredung zu einem Verbrechen verfassungswidrig sein könnte.
Bezüglich der Ordnungshaft, die zu verhängen sei, falls die 250 € nicht bezahlt werden, hat der BGH diese Androhung zwar aufgehoben, da nur ein Gericht dies anordnen könne und nicht etwa die Staatsanwaltschaft. Aber nicht zu früh gefreut, auch hier lässt Kafka grüßen. Wir zitieren:
„Die Entscheidung des Generalbundesanwalts vom 24.02.2016 … wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass
a) die ersatzweise verhängte Ordnungshaft von einer Woche entfällt
b) für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft für die Dauer von sieben Tagen festgesetzt wird.“
Was alle JurastudentInnen schon wussten, nun also für alle: Eine Woche ist nicht gleich sieben Tage! Kurz und schlecht, das Ordnungsgeld wurde gezahlt, aber…
…gleich danach ist erneut Post von der Bundesanwaltschaft eingetroffen. Die nächste zeugenschaftliche Vernehmung wurde nun vom 09.08.2016 auf den 18.10.2016 verlegt und findet in Karlsruhe am Sitz des Generalbundesanwalts statt. Eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten könnte unmittelbar im Anschluss daran drohen.
Haftbeschwerde
Unabhängig von diesen Ereignissen ist mittlerweile von den AnwältInnen der als angebliche Mitglieder des K.O.M.I.T.E.E. Gesuchten Beschwerde gegen die Haftbefehle beim Bundesgerichtshof eingelegt worden. Da alle konkreten Tatvorwürfe im Fall K.O.M.I.T.E.E. inzwischen verjährt sind, bleibt der Bundesanwaltschaft nur noch die „Verabredung zu einem Verbrechen“ gem. § 30 StGB für ihre Ermittlungen. Diese Vorschrift verletzt das Schuld- und Rechtsstaatsprinzip und ist deshalb verfassungswidrig. Die Strafandrohung und die daraus folgende 40-jährige absolute Verjährungszeit stehen außer Verhältnis zur Schuld. Es ist absurd, dass die Verabredung zu einer Tat, auch wenn sie dann gar nicht stattfindet, härter bestraft und länger verfolgt werden kann als die darauf folgende konkrete Vorbereitung dieser Tat. Sollte das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dieser Argumentation folgen, wäre das Ermittlungsverfahren endgültig einstellungsreif.
Doch selbst wenn am Ende eine positive Entscheidung stehen sollte, werden bis dahin wohl noch viele Monate vergehen. Und es wird eine Menge Geld kosten, diesen Weg von Gericht zu Gericht zu gehen. Wir sind also weiterhin auf Spenden und Unterstützung angewiesen!
20.04.2015 – Wir möchten euch auf eine Kampagne zur Unterstützung von Venezuela aufmerksam machen. Bernhard Heidbreder ist, obwohl momentan immer noch nicht freigelassen, unbeirrt in seiner Solidarität mit der bolivarianischen Revolution und ruft euch auf, Stellung zu beziehen gegen die Bedrohung Venezuelas durch die westlichen Großmächte!
Facebook: https://www.facebook.com/hands.off.venezuela
Twitter: https://twitter.com/hovcampaign
Appell an die venezolanische Öffentlichkeit und Regierung
Anfang Juli 2014 wurde Bernhard Heidbreder von venezolanischen Sicherheitskräften in Mérida festgenommen. Seitdem sitzt der formal deutsche Staatsbürger in der Hauptstadt Caracas in Polizeihaft. Die deutschen Behörden haben seine Auslieferung beantragt, weil gegen ihn in Deutschland ein Ermittlungsverfahren läuft. Bernhard wird vorgeworfen zusammen mit zwei weiteren Personen vor fast 20 Jahren in einer militanten Gruppe der Linken, dem K.O.M.I.T.E.E., aktiv gewesen zu sein. Diese Gruppe hat 1994 einen Brandanschlag auf ein Gebäude der Bundeswehr verübt. Außerdem hat sie 1995 einen Anschlag auf ein im Umbau befindliches Abschiebegefängnis geplant. Dieser wurde der in letzter Minute nicht ausgeführt. Sollte Bernhard nach Deutschland ausgeliefert werden, droht ihm aufgrund dieser Vorwürfe eine hohe Gefängnisstrafe.
Bernhard und die beiden anderen Beschuldigten haben sich der deutschen Justiz entzogen. Sie konnten damals vor fast 20 Jahren abtauchen und offensichtlich ein neues Leben aufbauen. Wir sind alte Freunde und Freundinnen von Bernhard und kennen ihn als Kämpfer der revolutionären Linken. Wir wissen, dass er auf keinen Fall ausgeliefert werden will. Deshalb wenden wir uns mit diesem Offenen Brief an die venezolanische Öffentlichkeit und die Regierung des Landes.
Das K.O.M.I.T.E.E. war Teil einer linken Bewegung. Ihr Angriff auf das Gebäude der Bundeswehr richtete sich gegen die Verfolgung von Kurdinnen und Kurden in der Türkei und gegen die Unterstützung dieser Unterdrückungspolitik von Seiten der deutschen Regierung. Der geplante Anschlag auf das im Bau befindliche Abschiebegefängnis sollte Wege aufzeigen, zu verhindern, dass Flüchtlinge aus Deutschland in Länder abgeschoben werden, in denen sie verfolgt werden oder in Armut leben müssen. Heute mehr denn je kämpfen Flüchtlinge, Linke und viele andere gegen die rassistische Flüchtlingspolitik der Europäischen Union, durch die fast täglich Menschen sterben. Die Länder der Europäischen Union haben eine unermessliche historische Schuld gegenüber Ländern des Trikonts und wehren sich mit allen Mitteln, sie zu bezahlen.
Auch in Venezuela kritisieren viele Menschen die rassistischen und kapitalistischen Verhältnisse. Die Regierung selbst hat sich eine gerechtere Welt zum Ziel gesetzt, in der alle Menschen ein würdiges Leben haben. Das K.O.M.I.T.E.E. hat für eine solche Welt gekämpft!
Unabhängig davon, ob die Drei tatsächlich an dieser Gruppe beteiligt waren, ist klar: Die Verantwortlichen für diese Anschläge sind keine Kriminellen, ihre Aktionen haben wichtige Zeichen gesetzt und – im Gegensatz zur deutschen Flüchtlingspolitik – niemanden verletzt. Deshalb appellieren wir an die venezolanische Regierung, Bernhard nicht an die deutschen Strafverfolger auszuliefern.